„Vielleicht sollten wir die Drama-Queen für zukünftige Aktionen buchen“, schlug Alex vor und lachte. „Die macht wenigstens Stimmung. Wenn das so weitergeht, steckt sie die ganze Gruppe mit ihrer Hysterie an. So viel Spaß hatten wir lange nicht mehr. Ihr Gesichtsausdruck, als die Spinne geflüchtet ist! Sie sah aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen! Vermutlich hätte es ausgereicht, sie mit einer Küchenschabe im Zimmer einzusperren, um ihren schlimmsten Albtraum wahr werden zu lassen.“
Victor starrte auf den Monitor und beachtete Alex‘ Witzeleien gar nicht. „Was machen die da?“, fragte er ratlos. „Sieht aus, als hätte Gwendolin außer dem Knochen noch etwas aus der Kiste geholt. Hast du den Inhalt ergänzt?“
Alex schüttelte den Kopf. „Ich war nicht an der Truhe, seit wir heute Nachmittag gemeinsam die Aufgabe vorbereitet haben.“
Victor runzelte die Stirn. „Verdammt ärgerlich, dass wir keinen Ton haben“, stellte er missmutig fest. „Ich wüsste gerne, worüber sie sprechen.“
Alex schnaubte. „Ist doch egal. Nicht die erste Gruppe, die mehr redet als handelt. Erinnere dich, wie lange sie vorhin für eine Einigung gebraucht haben. Die sind einfach extrem diskutierfreudig.“
„Ich weiß nicht …“ Victor beugte sich etwas vor und beobachtete die Gruppe, die um den Tisch herum stand und sich auf einen Papierbogen in Timos Händen konzentrierte.
„Die haben da einen Brief. Das sind definitiv nicht unsere Anweisungen.“
„Hat vermutlich einer von ihnen mitgebracht. Dieser Timo hat auch sofort die Hinweise auf seinem Block notiert.“ Alex gähnte. „Gar nicht dumm.“
„Wieso sollten sie ausgerechnet jetzt einen Brief auspacken, wenn sie ihn von Anfang an dabei hatten?“, hielt Victor entgegen. „Sie sind mitten im Schattenraum-Programm, und sie wissen, dass sie eigentlich keine Zeit verlieren dürfen. Nicht der richtige Moment, um gemeinsam irgendwelche privaten Nachrichten zu lesen.“
„Keine Ahnung“, erwiderte Alex schulterzuckend. „Krieg dich mal wieder ein. Du übertreibst und bist echt anstrengend. Die reden lediglich! Kein Grund zur Sorge.“
„Meinst du, wir sollten mal bei ihnen vorbeigehen?“, überlegte Victor unentschlossen. „Nur um zu sehen, ob wirklich alles in Ordnung ist?“
Alex stöhnte. „Du willst dich vergewissern, dass alles in Ordnung ist? Sorry, mein Freund. Das nehme ich dir nicht ab. Du hättest sie in den letzten Wochen jederzeit auf dem Pausenhof anquatschen können. Hast du aber nicht. Jetzt musst du dich halt bis morgen früh gedulden.“
„Ich wollte nicht –“, begann Victor, doch Alex ließ ihn nicht zu Wort kommen.
„Es hat nicht zufällig etwas damit zu tun, dass du gerne die Gelegenheit nutzen würdest, um einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen?“, fragte er grinsend. „Auf jeden Fall hätte es eine bessere Wirkung, als sie mit Eiern zu bewerfen. Das muss ich zugeben. Und das wird unweigerlich geschehen, wenn sie nicht endlich mal anfangen.“
Victor seufzte. „Klar würde ich gerne einen guten ersten Eindruck hinterlassen“, gab er zu. „Trotzdem ist das nicht der Hauptgrund. Ich werde das Gefühl nicht los, dass heute etwas anders läuft als sonst.“
„Und ich werde das Gefühl nicht los, dass du nach einer Ausrede suchst, um deine Angebetete zu treffen“, versetzte Alex spöttisch. „Vergiss es. Du kannst morgen früh mit ihr sprechen, vorausgesetzt, dass sie das noch will. Wir bleiben hier und schauen weiter zu.“